SpellForce 3: Soul Harvest im Test – das soll ein Add-on sein?
VON SEBASTIAN BEYER
Vielleicht geht es euch ähnlich wie mir, und ihr seid bei SpellForce 3 damals vom phantastischen Konzept so begeistert gewesen, dass ihr direkt zum Release oder kurz danach ins Spiel eingestiegen seid, nur um dann von dem anfänglich sehr kritischen Zustand des Titels enttäuscht worden zu sein. Vielleicht fragt ihr euch also auch jetzt bei SpellForce 3: Soul Harvest, ob die Entwickler ihre Lektionen aus der SpellForce-3-Geschichte gelernt haben. Meine Antwort darauf ist ein ganz klares: Ja!
Mehr dazu im folgenden Test.
Handlung & Geschichte: Vorgänger optional
Die Story von Soul Harvest spielt mehrere Jahre nach den Ereignissen von SpellForce 3 und erzählt eine eigene, alleinstehende Geschichte.
Erneut erstellt ihr euch euren eigenen Charakter, wobei der eher simple Editor nahezu 1:1 aus dem Vorgänger übernommen wurde, und stürzt euch dann in die Geschichte, in welcher ihr natürlich auch dieses Mal wieder eure eigenen Streitkräfte kommandieren und etliche Schlachten schlagen werdet.
Allerdings seid ihr in SpellForce 3: Soul Harvest kein Rebell, kein Außenstehender mehr; euer Charakter ist niemand Geringeres als der neue General der Wolfsgarde (engl. Wolf Guard) und damit Kommandeur einer prestigeträchtigen Spezialeinheit, welche als einzige Einheit der gesamten royalen Armee auch nichtmenschliche Rassen in ihre Reihen aufnimmt.
Wer SpellForce 3 gespielt hat, erinnert sich, dass diese vermeintliche Einigkeit der Rassen alles andere als selbstverständlich ist, dass die Welt von Eo bislang eine strikte Rassentrennung für die einzig praktikable Lösung hielt, und somit in jeder Rasse auch eine erhebliche Anzahl an Rassisten zu finden ist.
Während im Vorgänger die Reinheitskriege (engl. Purity Wars) den Hass zunächst besonders gegen die Magie und ihre Anwender lenkte, bekommt ihr es in Soul Harvest mit einer Rebellion der Zwerge zu tun, denn der neue Anführer der Zwerge, Arakys, träumt davon, seine Rasse wieder erstarken zu lassen, zu altem Ruhm zurückzukehren, und nichts Geringeres zu erreichen, als die totale Unterwerfung der vermeintlich minderwertigen Rassen an der Oberfläche.
Als wäre das noch nicht genug, bekommt ihr es im Verlauf der Story aber auch noch mit fanatischen Dunkelelfen zu tun, die scheinbar grund- und wahllos wehrlose Dörfer überfallen und den Bewohnern die Seelen stehlen – die titelgebende Soul Harvest, also Seelen-Ernte.
Was der "Gott des Lichtes" (engl. God of Light) damit zu tun hat, der Spielern des Vorgängers ein Begriff sein sollte, ist ein weiteres Geheimnis, das es aufzudecken gilt.
Auch die neue Wolfsgarde spiegelt diese Entwicklungen wider, und das stellt dann auch gleich die größte Neuerung von Soul Harvest dar:
Der zentrale Charakter aus SpellForce 3 ist verschwunden, und mit ihm auch dessen Allianz aus Orks und Elfen.
So müsst ihr notgedrungen eine vollkommen neue Wolfsgarde aufbauen, denn zunächst stehen euch nur noch die Menschen als Fraktion zur Verfügung.
Die dringlichste Aufgabe ist es also, neue Verbündete zu gewinnen, namentlich zunächst eine Fraktion der Zwerge, sowie später ebenso eine Fraktion der Dunkelelfen, die sich beide jeweils gegen die Entwicklungen in ihren eigenen Rassen gewendet haben.
Nach und nach versucht ihr also, diese so ungleichen Fraktionen davon zu überzeugen, sich der Wolfsgarde anzuschließen, und damit auch alte Feindschaften und Vorurteile – jedenfalls vorerst – zu vergessen.
Gameplay
Wer den Vorgänger gespielt hat, wird sich auch in Soul Harvest gleich zurechtfinden, auch wenn das UI kleinere Änderungen erfahren hat.
Grundsätzlich handelt es sich also auch hier wieder um ein Konzept, welches Aspekte aus RTS und RPG zusammenführt, sodass ihr also nicht nur eure Fraktionsarmeen führen, sondern mit euren Helden auch noch mächtige Spezialfähigkeiten erlernen könnt, die sich erheblich auf den Schlachtverlauf auswirken.
Bei den Helden seid ihr sogar, hier kommt das RPG-System voll zur Geltung, relativ frei in der Entwicklung, nochmal freier sogar als im Hauptspiel SpellForce 3, denn nun könnt ihr eure Wunsch-Disziplinen (etwa Dämonologie oder Lichtmagie) frei kombinieren, müsst euch allerdings für zwei davon entscheiden.
Innerhalb dieser Disziplinen gibt es mehrere Skill Trees, in denen ihr frei eure Punkte verteilen könnt, sowohl auf aktive Skills, als auch auf passive Perks.
Soweit so bekannt, doch natürlich bieten die beiden neuen Fraktionen den größten Unterschied zum Vorgänger auf:
Die Zwerge sind dabei direkt an mehreren Fronten ganz anders, als man es bisher von den Fraktionen aus SpellForce 3 kannte; so sammeln die Zwerge kein Holz, sondern verfeuern es direkt zu Holzkohle, um daraus mit der für sie wichtigsten Ressource, Eisen, Stahl verhütten zu können.
Aus diesem Stahl bauen die Zwerge dann besonders robuste Türme, aber auch ihre Einheiten sind so mit massiven Rüstungen oder Schilden ausgestattet, und somit alles in allem klar auf Defensive ausgerichtet.
Auch hier gibt es dann gleich wieder eine Neuerung gegenüber dem Vorgänger: auch reguläre Einheiten können nun, per Upgrade, einen aktiven Skill erlernen.
Bei den zwergischen Armbrustschützen etwa ermöglicht das, ihnen den Befehl zu geben, die Stellung zu halten, was sie in dieser Zeit zwar unbeweglich macht, dafür können die Armbrüste aber deutlich weiter schießen, und richten zusätzlich auch noch mehr Schaden pro Schuss an.
Schaltet ihr die Fähigkeit wieder aus, können die Schützen wieder laufen, verlieren aber freilich die Reichweite- und Schaden-Boni wieder.
So habt ihr schon mit den Zwergen eine ganz neue Dimension der Strategie und Taktik: mobil sein und schnell auf Veränderungen reagieren können, oder lieber bereits gewonnenes Territorium mit kräftigen Boni stationär verteidigen?
Gerade an Engstellen können zwei Trupps Armbrustschützen im Verteidiger-Modus leicht effektiver sein, als dort Türme zu bauen – was wiederum Arbeitskraft einspart für den jeweiligen Sektor, die man vielleicht anderweitig sinnvoller einsetzen kann.
Eine weitere Besonderheit der Zwerge ist außerdem ihre Fähigkeit, Tunnel bauen zu können, und zwar durchaus auch quer über die gesamte Map!
Einzige Voraussetzung dafür ist es, dass ihr an beiden Enden "Sicht" haben müsst, also Einheiten dort den Bauplatz einsehen können.
Dadurch werden natürlich auch wieder sehr verlockende Strategien ermöglicht, etwa ein Guerilla-Team hinter feindliche Linien infiltrieren lassen, um dort dann unbemerkt einen Tunnelausgang zu setzen – gelingt euch das, könnt ihr anschließend binnen weniger Sekunden Streitkräfte verlegen!
Die Dunkelelfen lassen sich aber natürlich auch nicht lumpen, sind deutlich offensiver aufgestellt, werden mächtiger, je länger sie kämpfen, und natürlich haben sie auch jede Menge fieser Tricks in petto, dafür fordern sie aber auch mit einer eher aufwendigen Ressourcen-Mechanik für die Spezial-Ressource "Echo", die ihr benötigt, um eure mächtigsten Fraktionseinheiten bauen zu können.
Während alle anderen Fraktionen diesen Ressourcentyp in den entsprechenden Sektoren über normale Ressourcengebäude gewinnen können, also etwa Minen oder durch Pflanzen-Ernter, kommt bei den Dunkelelfen eine gänzlich andere Art der Ernte ins Spiel ... ihr ahnt es sicherlich bereits: die Seelen-Ernte!
Zwar baut ihr zunächst auch ein Ressourcen-Gebäude, dieses sammelt aber nicht automatisch, sondern stellt euch lediglich eine spezielle Einheit zur Verfügung, mit der ihr aktiv die Seelen der in euren Schlachten gefallenen Einheiten einsammeln müsst, sofern diese den entsprechenden visuellen Effekt aufweisen, der eine Seele darstellen soll.
Zusätzlich erschwert wird dies dadurch, dass dieser Sensenmann keine Kampfeinheit ist, und somit sehr leicht vom Feind vernichtet werden kann; so müsst ihr stets abwägen, wohin ihr ihn wann schickt, und ob ihr nicht doch besser noch ein paar Einheiten opfert, um Geleitschutz zu geben.
Opfern ist indes aber ein gutes Stichwort, denn das wäre die zweite Möglichkeit der "Echo"-Gewinnung: Ähnlich wie im Vorgänger mit den Ork-Titanen, können auch die Dunkelelfen ihre eigenen Einheiten am "Seelenturm", dem Ressourcengebäude, opfern, um so mehr "Echo" zu erhalten.
Diese Möglichkeit kann besonders dann sogar tatsächlich attraktiv sein, wenn ihr eure anfängliche Armee um Elite-Einheiten erweitern wollt, das Bevölkerungslimit aber schon ausgeschöpft ist – so bekommt ihr wenigstens noch wertvolle Ressourcen für das "Löschen" nicht länger benötigter Einheiten.
Eine weitere große Neuheit beider Fraktionen möchte ich zum Schluss aber auch nicht unerwähnt lassen:
Luftkampf! – Richtig gelesen, in Soul Harvest bringen sowohl Dunkelelfen als auch Zwerge Luftfahrzeuge neu ins Spiel, wobei die alten Fraktionen natürlich dann nachträglich ebenfalls auf diesen Stand gebracht wurden, um besonders in Hinblick auf Multiplayer das Balancing zu wahren.
Die Flugeinheiten haben für mich dabei einen ganz besonders schönen Nebeneffekt:
Während ich im Vorgänger noch das Gefühl hatte, dass es nicht wirklich wichtig war, auf eine sinnvolle Truppenzusammensetzung der Armeen zu achten, hat sich das in Soul Harvest spätestens durch die fliegenden Bedrohungen spürbar geändert – jetzt bin ich definitiv darauf angewiesen, ein ausreichendes Kontingent an Fernkämpfern mitzunehmen, auch wenn diese im Truppenverbund das Lauftempo spürbar senken, denn Nahkämpfer sehen gegen Flugeinheiten nun einmal alt aus. Gut so!
Fazit
Nun möchte ich die eingangs im Titel gestellte Frage endlich beantworten:
Nein, Soul Harvest ist kein Add-on!
Auch wenn es offiziell als Standalone Add-on bezeichnet wird, muss sich Soul Harvest in keinem Aspekt hinter SpellForce 3 verstecken; der Umfang ist auf Hauptspiel-Niveau, die Anzahl der spielbaren Fraktionen ebenso, der taktische Tiefgang ist sogar spürbar erweitert worden, auch in Soul Harvest haben wir hochwertige Sprecher und Vertonung.
All das geht in meinen Augen weit über ein Add-on hinaus, ihr erhaltet mit Soul Harvest ein hoch- und vollwertiges, vollständiges Spiel!